Was bedeutet „barrierefreie Website“ – und warum lohnt sie sich?
Eine barrierefreie Website ist so gestaltet, dass Menschen mit Einschränkungen Inhalte gleichwertig nutzen können – mit Screenreader, per Tastatur, mit Untertiteln, mit verständlicher Struktur. Technisch orientieren wir uns an den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), dem internationalen Standard der W3C-Webinitiative. Die aktuelle Fassung WCAG 2.2 ist seit 5. Oktober 2023 offizieller Webstandard („W3C Recommendation“). Neu hinzugekommen sind zusätzliche Erfolgskriterien; zugleich wurde das alte Kriterium 4.1.1 (Parsing) gestrichen.
Für die Praxis heisst das: Wer nach WCAG (mindestens Level AA) entwickelt, baut eine Website, die wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust ist (POUR-Prinzip). Das zahlt sich nicht nur für Menschen mit Behinderungen aus, sondern für alle Nutzer – bessere Usability, klarere Struktur, oft auch bessere SEO-Signale. Ihre eigenen Referenzen (Seobility & barrierefreies-webdesign.de) erklären Aufbau und Stufen der WCAG sehr gut.
„Barrierefreiheit im Netz ist wie eine Rampe vor dem Geschäft: Offiziell für den Rollstuhl gedacht – praktisch für Kinderwagen, Reisekoffer und Lieferanten.“
Wer profitiert konkret?
- Seheinschränkungen: Screenreader, starke Kontraste, skalierbare Schrift.
- Hörbeeinträchtigungen: Untertitel/Transkripte für Videos und Audiobeiträge.
- Motorische Einschränkungen: vollständige Tastaturbedienbarkeit.
- Kognitive Einschränkungen: einfache Sprache, klare Navigation, verlässliche Muster.
- Situative Barrieren: Sonne auf dem Display, laute Umgebung, wackeliger ÖV – Barrierefreiheit hilft auch hier.
„Wer eine Website nur für die Hälfte der Besucher baut, verzichtet freiwillig auf Anfragen – das macht kein Treuhänder, kein Malergeschäft und kein Coiffeur.“
Wer muss eine barrierefreie Website haben?
Schweiz (Stand: heute)
- Bundesstellen: Für die Bundesverwaltung gilt der Schweizer Accessibility-Standard eCH-0059 (Version 3). Er verlangt WCAG 2.1 AA als Mindestniveau.
- Rechtsgrundlage: Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG; SR 151.3) bezweckt die Beseitigung von Benachteiligungen; es bildet den Rahmen für digitale Zugänglichkeit im öffentlichen Bereich.
- Kantone/Gemeinden: Orientieren sich in der Praxis an eCH-0059/WCAG; die Verbindlichkeit variiert.
- Private Unternehmen: Keine generelle, ausdrückliche Pflicht, eine Website nach WCAG zu bauen; das BehiG zielt jedoch auf Nichtdiskriminierung.
EU-Bezug
- Web Accessibility Directive (2016/2102): Öffentliche Stellen in der EU müssen Websites und Apps barrierefrei machen.
- European Accessibility Act (EAA, 2019/882): Seit 28. Juni 2025 gelten in der EU Barrierefreiheitsvorgaben für bestimmte Produkte und Dienstleistungen (u. a. E-Commerce-Dienste). Relevant für Schweizer Firmen, wenn sie in der EU verkaufen.
Kurzüberblick (Pflichtlage)
Raum | Wen betrifft es | Mindeststandard | Quelle |
---|---|---|---|
Schweiz | Bundesverwaltung (Web & Apps) | WCAG 2.1 AA (eCH-0059 v3) | Offizielle Beschreibung des Standards durch eCH |
Schweiz | Private Unternehmen | keine generelle Pflicht; BehiG als Rahmen/Nichtdiskriminierung | Wikipedia‑Übersicht mit Kerninfos zur Pflichtlage |
EU | Öffentliche Stellen | Barrierepflicht nach Web Accessibility Directive | EUR-Lex/FAQ |
EU | Bestimmte Produkte/Dienste (auch E-Commerce) | Barrierepflicht nach EAA (seit 28.06.2025) | AccessibleEU |
Wie geht man barrierefreies Webdesign an? (der pragmatische Fahrplan)
- Ziele festlegen & Standard wählen – Für die Schweiz empfehlen wir WCAG 2.1 AA als verbindliches Ziel; WCAG 2.2 können Sie als „Plus“ mitnehmen.
- Audit & Quick Wins – Starten Sie mit einem Accessibility-Audit: Kontraste prüfen, Alternativtexte ergänzen, Fokusreihenfolge und Tastaturnavigation testen, Überschriftenhierarchie ordnen, Formulare beschriften.
- Technik & Inhalte nach POUR:
- Wahrnehmbar: Ausreichende Kontraste, Alt-Texte, skalierbare Schrift, Untertitel/Transkripte.
- Bedienbar: Tastaturfähig, sichtbarer Fokus, genug Zeit für Interaktionen.
- Verständlich: Klare Sprache, saubere Formulare/Fehlermeldungen.
- Robust: Semantisches HTML, ARIA nur dort, wo nötig.
- Prozesse verankern – Accessibility gehört in Designsystem, Redaktionsleitfaden und Entwicklung.
- Testen – automatisch und manuell:
- Automatisiert: z. B. WAVE, Lighthouse.
- Manuell: Tastaturrundgang, Screenreader-Check (NVDA/VoiceOver), Nutzerfeedback.
- Zertifizieren lassen (optional): Schweizer Stiftung Zugang für alle bietet Zertifizierungen auf WCAG-Basis.
- EU-Markt im Blick behalten – Bei Verkauf in die EU EAA-Pflichten prüfen.
„Barrierefreiheit ist kein Projektabschluss – es ist ein Wartungsvertrag mit Ihren Nutzern.“
Häufige Missverständnisse – kurz & schmerzlos
- „Wir sind kein Amt – also egal.“ Falsch gedacht. Rechtlich haben Private in der Schweiz keine allgemeine WCAG-Pflicht. Wirtschaftlich verlieren Sie ohne Barrierefreiheit Reichweite, Conversions und Glaubwürdigkeit – und riskieren Probleme, sobald Sie EU-Märkte bedienen.
- „Barrierefreiheit ist ein Extra.“ Nein. Es ist Qualitätssicherung: bessere Struktur, konsistenter Code, weniger Supportaufwand.
- „Wir machen das am Schluss.“ Spät wird teuer. Accessibility gehört in Konzept, Design, Content-Plan und Entwicklung – von Tag 1 an.
Fazit: Pflicht? Vorteil? Am Ende beides.
Für den Bund ist Barrierefreiheit Pflicht – WCAG 2.1 AA nach eCH-0059. Für Private in der Schweiz ist sie (noch) nicht flächendeckend vorgeschrieben. Aber wer clever ist, behandelt sie wie einen Wettbewerbsvorteil: bessere Nutzererfahrung, bessere Sichtbarkeit, weniger Hürden. Und wer EU-Kundschaft bedient, sollte spätestens jetzt den EAA-Kompass ausrichten.
Was andere weitergebracht hat:
Die barrierefreie Website – Pflicht, Vorteil oder beides?
Was eine barrierefreie Website ausmacht, wer sie braucht, wo sie Pflicht ist (CH/EU) und wie Sie nach WCAG starten. Praxisnah für Dienstleister und Handwerk in der Schweiz.
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